Fucking Berlin by Sonia Rossi

Fucking Berlin by Sonia Rossi

Autor:Sonia Rossi
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Bd. 37264
ISBN: 9783548920016
Herausgeber: Ullstein Taschenbuch
veröffentlicht: 2011-12-30T23:24:14+00:00


9

FREIBURG/MÜNCHEN –

ZWEI »DIENSTREISEN«

Eines Tages, es war Mitte Januar, zog ich die Vorhänge meines Schlafzimmers zur Seite und ließ die Sonnenstrahlen wieder herein. Ladja, der seit meiner Rückkehr aus der Schweiz auf der Couch schlief, schaute mir verdutzt dabei zu, wie ich Kaffee kochte. Noch überraschter schien er zu sein, als ich das Bett zur Seite schob und anfing, den Staub vom Boden zu wischen. Er sah mich an, als sei ich eine fremde Person und nicht die Frau, mit der er seit nunmehr über drei Jahren zusammenlebte.

»Es ist alles so schmutzig hier«, sagte ich einfach und verbrachte tatsächlich den ganzen Tag mit Aufräumen. Ich schickte Ladja zum Blumenhändler um die Ecke und ließ ihn einen Topf, Erde und Saatgut kaufen. Wir hatten immer davon gesprochen, Pflanzen auf dem Fensterbrett zu ziehen, doch in letzter Zeit war mir unsere Wohnung, wie alles andere auch, scheißegal gewesen. An diesem Abend schlief ich zum ersten Mal nach über vier Monaten mit Ladja. Ich wusste selber nicht, warum ich plötzlich so viel Energie hatte, doch ich beschloss, dem gar nicht auf den Grund zu gehen, um das gute Gefühl nicht zu verscheuchen.

In den nächsten Wochen kehrte ich in mein altes Leben zurück. Ich besuchte Vorlesungen an der Uni, ging wieder in die »Oase«, traf mich freitags abends mit Jule und zog mit ihr und anderen Kommilitonen durch die Clubs am Prenzlauer Berg. Niemand fragte mich, was in den letzten Wochen los gewesen war, und ich erzählte auch nichts.

Ich konnte wieder lesen und mich dabei auf den Text konzentrieren, ich konnte mit Ladja über die »Simpsons« lachen, ich konnte wieder auf dem Rückweg von der Disko auf der Straße singen, ich konnte nach einem guten Tag in der »Oase« wieder shoppen gehen und mich dabei hübsch und sexy fühlen. Nur Babys konnte ich gar nicht ansehen – ich wechselte sogar die Straßenseite, wenn ich eine junge Mutter sah, die einen Kinderwagen vor sich herschob, und war genervt, wenn mich in der U-Bahn kleine Kinder anplapperten. Solche Momente erinnerten mich daran, dass ich mein Kind aus Angst und Feigheit aufgegeben hatte. Milan mied ich aus demselben Grund: Ich wollte ihn nicht ansehen und mir dabei vorstellen, wie unser Kind ausgesehen hätte. Ich wollte nicht daran denken, dass er der Vater meines Babys gewesen wäre. Ich ging nur ins »California«, wenn ich sicher war, dass Milan nicht da war. Ein paar Mal traf ich ihn zufällig, doch ich drehte den Kopf weg, nahm keine Notiz von ihm und schlang meine Arme um Ladja.

Eines Tages lief ich gerade aus der Kneipe, als jemand mich von hinten am Arm packte. Ich wusste, wer es war, noch bevor ich mich umdrehte. Ich spürte seine Hände und begann zu zittern.

»Was ist los?«, fragte Milan mit prüfendem Blick.

»Gar nichts«, murmelte ich und spielte mit einer Haarsträhne. »Ich schreibe gerade jede Menge Klausuren, ich habe nicht so viel Zeit«, versuchte ich mich herauszureden.

»Du redest nicht mit mir, du grüßt mich kaum – bist du irgendwie sauer auf mich?«, fragte er. Einen verrückten Augenblick



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